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Transcript

Altersdepression

Referentinnen: Madita Römisch, Celina Hartig, Constanze Wegerle, Annegret Müller

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg | Fakultät für Naturwissenschaften

SE Klinische Psychologie und Neuropsychologie I Gruppe 1 | WiSe 20/21

Gliederung

Einführung und Gliederung

1) Einführung

2) Diagnose und Risiko

3) Komorbidität

  • Exkurs Parkinson

4) Suizidalität

  • Verlauf und Risiko

5) Therapie

  • Suizidprävention

Alltagsbezug

  • Bevölkerungsanteile (Stand 2018, BiB)

über 65 Jahre: 22%

über 80 Jahre: 7%

  • Krankheitskosten 2015: 1,87 Mrd Euro

Alltagsbezug

Prävalenz

  • Lebenszeitsprävalenz (Busch et al., 2013)

60-69 Jahre: 17,3%

  • 12 Monats Prävalenz (Busch et al., 2013)

60-69 Jahre: 7,9%

  • Studien mit HeimbewohnerInnen (Rovner & Katz 1993)

Md = 34% depressive Symptome

Md = 22% Major Depression

Diagnostik

Diagnostik

  • Diagnostische Klassifikationen (z.B. ICD-10) sehen keine für das höhere Lebensalter spezifische Form der depressiven Störung vor

  • Unterscheidung nach Schweregrad: leichte, mittelgradige und schwere depressive Episoden
  • diagnostische Unterscheidung nach Lebensalter bei Erkrankungsbeginn (Trennung bei Ersterkrankungsalter von 60 Jahren)

= spät beginnende Depression (Late Onset Depression) davor: früh beginnenende Depression (Early Onset Depression)

psychische Erkrankungen – Klinik und Therapie

Mathias Berger

Urban & Fischer

4. Auflage 2012

Symptome

Symptome

  • Veränderungen in Symptomstruktur der Depression mit zunehmendem Alter
  • im Vordergrund häufig körperliche Beschwerden und Apathie
  • Depressivität und körperlicher Rückzug als Vorläufersymptome einer beginnenden Demenzerkrankung

  • depressive Symptome nehmen im Alter zu, Häufigkeit der Depressionsdiagnosen nimmt aber ab
  • häufig „subsyndromale Depressionen“ (depressive Symptome bestehen, aber diagnostische Kriterien für Depression nicht erfüllt)

Hauptsymptome

Nebensymptome

  • gedrückte, depressive Stimmung
  • Interessenverlust
  • Freudlosigkeit
  • Antriebsmangel
  • erhöhte Ermüdbarkeit

Haupt- &

Nebensymptome

  • verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit,
  • vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen,
  • Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit,
  • negative und pessimistische Zukunftsperspektive,
  • Suizidgedanken/-handlungen,
  • Schlafstörungen,
  • verminderter Appetit

Vorliegen von mind. 2 Hauptsymptomen

und zusätzlich mind. 2 Nebensymptome über 2 Wochen oder länger

Kognitive Einschränkungen

Kognitive

Einschränkungen

  • Minderung der kognitiven Leistungsfähigkeit während depressiver Episode
  • auch nach Remission höchstwahrscheinlich fortbestehend

  • Entwicklung/Auftreten eines Demenzsyndroms (häufig Frühsymptom einer Demenzerkrankug)
  • bei 40% der Patienten entwicklet sich im weiteren Verlauf irreversible Demenz

"dysexekutives Syndrom"

dysexekutives

Syndrom

= besonders bedeutsame kognitive Einschränkung der Depression im Alter

  • Mangel an Zielstrebigkeit und Flexibilität bei der Planung, Initiierung, Durchführung von Handlungen
  • verbunden mit:
  • psychomotorischer Verlangsamung
  • mangelndem Antrieb
  • Beeinträchtigungen bei Alltagsaktivitäten
  • verminderter Introspektionsfähigkeit
  • ungünstiger Prognose der Depression

Angst

  • Begleitsyndrom der Depression, oder zusätzliche Angsterkrankung

  • klinische Stichproben älterer depressiver Patienten:
  • über 80% Angstsymptome
  • 1/3 mit Angststörung

  • ungünstige prognostische Bedeutung

Apathie

  • ausgeprägter Mangel an Antrieb und Motivation und daraus resultierende Beeinträchtigung in den Alltagsaktivitäten

  • Bestandteil des dysexekutiven Syndroms
  • ungünstige prognostische Bedeutung für ältere Patienten
  • schlechte Rückbildung der depressiven Störung
  • geringe Lebensqualität,
  • hohe Sterblichkeit

Risikofaktoren

Risikofaktoren

  • Einsamkeit / erlittene Verluste
  • Behinderung / (chronische) Krankheiten, (krankheitsbedingte) Schmerzen
  • Angst, soziale Konflikte
  • ökonomische Belastungssituationen
  • sensorische kognitive Defizite
  • körperliche Begleiterkrankungen
  • (kognitive) Leistungs- und Funktionseinschränkungen
  • Beendigung der Arbeitszeit
  • Unterbringung im Pflegeheim

Ursachen

andere Ursachen

einer altersbedingten

depressiven Störung...

organischer Faktor

organischer

Faktor

  • depressive Symptome durch körperliche Erkrankungen

  • häufig gegenläufige Wechselwirkungen zwischen körperlichen Erkrankungen und depressiver Symptomatik (positive Rückkopplung)

= „organisch bedingte depressive Störung“

körperliche Erkrankungen

körperliche

Erkrankungen

  • Virale Infekte
  • Endokrine Erkrankungen (Hyperthyreose, Nebenniereninsuffizienz)
  • Maligne Erkrankungen (Leukämien, Pankreas-karzinom)
  • Zerebrovaskuläre Erkrankungen
  • Morbus Parkinson
  • Herzinfarkte,
  • Stoffwechselstörungen

Medikamente

Medikamente

  • Parkinsonmedikamente
  • Antihypertonika wie Betablocker
  • Antibiotika und Virustatika
  • Antihistaminika
  • Neuroleptika
  • Hormone und hormonartig wirkende Medikamente
  • Immunsuppressiva

"Frailty" (Gebrechlichkeit)

Frailty

  • Zusammenhang zwischen körperlicher Morbidität und Depressivität
  • Abnahme der Funktionsreserven und Kompensationsmöglichkeiten des Oragnismus (erhöhte Anfälligkeit gegenüber Stressoren)
  • auf gemeinsame pathogenetische Mechanismen zurückzuführen (z.B. vaskuläre Erkrankungen)

  • Indikatoren: Gewichtsabnahme, Inaktivität, Müdigkeit, Kraftlosigkeit
  • Folge: ungüstige Krankheitsverläufe, erhöhte Sterblichkeit

Untersuchungsverfahren

Untersuchungs-

verfahren

  • Geriatrische Depressionsskala (GDS) Selbstbeurteilungsfragebogen mit 15 Fragen (Items als Ansätze für weitere Exploration des Patienten)
  • Beurteilung Schwere und Verlauf: Fremdbeurteilungsverfahren,

v.a. Montgomery-Asberg Depression Rating Scale (MADRS)

  • Diagnose wird zu selten gestellt
  • stärker somatisch und weniger affektiv gefärbte Beschwerdeschilderungen der älteren Patienten erschweren Diagnosestellung

Prozedere der

Diagnosestellung

01

bejahte Items als Anlass zur weiteren Exploration

Anwendung eines Screeningverfahrens z.B. GDS

02

06

Diagnosestellung

03

Erhebung des Schweregrads z.B. mit standardisiertem Erhebungsinstrument wie MADRS

05

auf zeitliche Zusammenhänge zwischen Krankheitsbeginn

und Verschlechterung achten (andere Krankheitsbilder / Medikamente als Grund ausschließen)

wenn Depression erstmalig nach 60. Lebensjahr: auch an organische Ursache und altersspezifische Belastungsfaktoren denken und entsprechende Zusatzdiagnostik durchführen (strukturelle kranielle Bildgebung, Labor)

04

mögliche organische (Mit-) Verursachung in Betracht ziehen, dazu entsprechende Zusatzdiagnostik

Komorbidität

  • gemeinsames Auftreten somatischer und/oder psychischer Erkrankungen (vgl. Weyerer, 2017)
  • Komorbidität als Regelfall (vgl. Pieper et al., 2008 zit. nach Weyerer, 2017)

Depression

Diabetes

Hirninfarkt

(vgl. Weyerer, 2017)

Demenz

Risikofaktoren für komorbide Depression

Risikofaktoren

  • erhöhte Anzahl an komorbiden Erkrankungen
  • Arbeitsunfähigkeit, geringe Lebensqualität
  • Alltagseinschränkungen durch körperliche Erkrankungen

(vgl. Weyerer, 2017)

Parkinson (PK) und Depression

Exkurs: Parkinson und Depression

32/35 % Menschen mit PK haben Depressionen (vgl. Riedel et al., 2016 & Rejinders et al., 2008, zitiert nach Dodel & Kircher, 2017)

Abb 1.: Ausprägung der komorbiden Depression bei Patienten mit Parkinson in Prozent (Daten aus Rejinders et al., 2008, zitiert nach Dodel & Kircher, 2017)

Symptome

  • "Dysphorie[...]
  • Traurigkeit[...]
  • Irritabilität[...]
  • Pessimismus über Zukunft[...]
  • Todesgedanken"

(Dodel & Kircher, 2017)

  • "Schuldgefühle[...]
  • Selbstabwertung[...]
  • Gefühle des Scheiterns[...]
  • Suizidhandlungen"

(Dodel & Kircher, 2017)

Bedingungen

  • Störungen vegetativer Funktionen (vgl. Schneider, 1999)
  • Motorische Einschränkung
  • Erhöhter PK-Schweregrad bzw. spätes Stadium
  • Früher Beginn bzw. lange Dauer der PK-Erkrankung

(vgl. Dodel & Kircher, 2017)

Diagnostik

Herausforderungen

Heraus-forderungen

  • Überlappung der Symptome
  • Motorische Schwankungen
  • Kognitive Störungen

(vgl. Dodel & Kircher, 2017)

Suizidalität

  • 23-30 % Suizidgedanken (vgl. Nazem et al. 2008, zit. nach Dodel & Kircher, 2017)
  • Risikofaktoren (vgl. Dodel & Kircher, 2017):
  • Tiefe Hirnstimulation OP
  • L-Dopa

Suizidalität

alle Denk-und Verhaltensweisen, mit denen das Beenden des eigenen Lebens bestrebt werden (vgl.Wolfersdorf, Schüler, Mauerer 2017)

Einordnung

Suizidalität und...

aktuelle Relevanz

... die

aktuelle Relevanz

- bisher wenige Untersuchungen zu Suizidideen

- trotz Gewinn an Bedeutung durch demografischen Wandel

- allmählich mehr Aufmerksamkeit

Suizidalität im erhöhten Alter

...erhöhtes Alter

- größere Offenheit und Klarheit

- größere Präsenz

- seltener beziehungsüberprüfend

terminale Krankheits-situation

hohe baldige Versterbens-wahrscheinlichkeit

... Suizidbeihilfe

Unterscheidung zwischen...

...Suizidbeihilfe

Art der Erkankung

... Suizidwunsch

mögliche Veränderbar-keit

mögliche Rückführbar-keit

Kontinuitätsmodell

(nach Wolfersdorf und Etzersdorf , 2011)

Verlauf

passiv

aktiv

Lebenssattheit, Lebensmüdikeit

Wunsch nach Ruhe und Pause

Todeswunsch

Suizidgedanke

Suizidabsicht

Suizidhandlung

in 67%

in unter 24h

in 97%

in unter 1h

Epidemiologie

Doppelsuizide, Mitnahmesuizide

3x so viele Männer,

wie Frauen

Epidemio-logie

Statistisches Bundesamt, 2015

13-14%

Wiederholungsrate

Suizidversuche:

umgekehrte

Geschlechter-

verhältnisse

Risikofaktoren

(vgl.Wolfersdorf, Schüler, Mauerer 2017)

Risiko-

faktoren

demografische

- männliches Geschlecht

- Alter

- niedriger sozialer Status

psychopathologisch

psychopa-thologische

- Depression

- Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit

- schizophrene Psychosen

körperlich

körperliche

- beginnende dementielle Erkankung

- somatische Erkankungen mit:

  • chronischem Verlauf
  • starken Schmerzen
  • geringer Heilungsaussicht

- schlechte körperliche Verfassung

- Einnahme von Antidepressiva

soziale

- Einsamkeit

- Schwerwiegende Lebensereignisse

(bspw. Verlust des/der Partners/Parterin)

- Interpersonelle Konflikte

(bspw. Familienkonflikte)

Versorgungssituation

  • Unterversorgung (Vgl. M. Wolfersdorf 2017)

durch Angst vor Stigma / Skepsis (6% in Psychotherapie)

durch fehlende Expertise bei Hausärzt*innen

Therapie

Fokus auf somatische oder psychische Einzelbeschwerden

keine / falsche Psychopharmaka

(40% eingestellt)

gering geschätzter Behandlungsnutzen

Therapie und Suizidprävention

(Vgl M. Wolfersdorf 2017)

Therapie

  • HausärztInnen als kompetente Schlüsselrolle

  • Kontrolle komorbider Erkrankungen

Schmerztherapie / Palliativmedizinische Betreuung

Medikamenteneinstellung

notwendige Hilfsmittel bereitstellen

  • Psychopharmakotherapie

Antidepressiva

  • Psychotherapie

Kognitive Verahltenstherapie

interpersonelle Psychotherapie

  • soziale Unterstützung und Aktivierung

Teilhabe ermöglichen

Mental Health Ansatz

(Vgl. DeLeo und Scocco 2006)

Mental Health Ansatz

  • Klärung der Lebenssituation

Mobilität, Wohnsituation, Finanzen

  • gerontopsychiatrische Ambulanz
  • Weiterbildung Angehöriger
  • Einbindung in soziales Leben

Seniorentreff

Tagespflege

  • Beratung

Sozialdienst

religiöse Institutionen

psychosoziale Dienste / Seelsorge

Quellen

  • Dodel, R. & Kircher S. (2017). Depression bei Parkinson-Krankheit. In A. Fellgiebel & M. Hautzinger (Hrsg.), Altersdepression: Ein interdisziplinäres Handbuch (229-236). Berlin & Heidelberg: Springer.
  • Schneider, E. (1999). Autonome Störungen bei der Parkinson-Krankheit und deren Behandlung. Der Nervenarzt, 70(1), 26-34.
  • Weyerer, S. (2017). Somatische Kofaktoren. In A. Fellgiebel & M. Hautzinger (Hrsg.), Altersdepression: Ein interdisziplinäres Handbuch (13-18). Berlin & Heidelberg: Springer.
  • https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/depression-in-verschiedenen-facetten/depression-im-alter
  • http://www.buendnis-depression.de
  • https://www.destatis.de/DE/Publikationen/StatistischesJahrbuch
  • Georg Adler, Diagnostik der Altersdepression. In A. Fellgiebel & M. Hautzinger (Hrsg.), Altersdepression: Ein interdisziplinäres Handbuch (229-236). Berlin & Heidelberg: Springer.
  • M. Wolfersdorfer, M. Schüler, C. Mauserer (2017), Suizidalität im Alter. In In A. Fellgiebel & M. Hautzinger (Hrsg.), Altersdepression: Ein interdisziplinäres Handbuch (229-236). Berlin & Heidelberg: Springer.
  • S. Weyerer, Epidemiologie der Altersdepression (2017). In In A. Fellgiebel & M. Hautzinger (Hrsg.), Altersdepression: Ein interdisziplinäres Handbuch (229-236). Berlin & Heidelberg: Springer.
  • Wolfersdorf, M.; Schüler, M.; Mauerer, C.; Suizidalität im Alter (2017). In A. Fellgiebel & M. Hautzinger (Hrsg.), Altersdepression: Ein interdisziplinäres Handbuch (57-64). Berlin & Heidelberg: Springer

Welche gesellschaftlichen Ursachen für Altersdepression vermutet ihr?

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